A. Unterschiede zwischen Männern und Frauen

  • Unterschiede im THC-Abbau:
    • Studien zeigen, dass es geschlechtsspezifische Unterschiede im Abbau von THC gibt. Diese Unterschiede sind vor allem auf hormonelle und metabolische Faktoren zurückzuführen.
    • Frauen weisen aufgrund eines höheren Fettanteils im Körper eine längere Retention von THC in den Fettzellen auf. THC, das lipophil ist, lagert sich bevorzugt im Fettgewebe an und wird langsamer freigesetzt.
    • Männer haben in der Regel einen höheren Muskelanteil und eine schnellere Stoffwechselrate, was zu einem geringfügig schnelleren Abbau von THC führen kann.
  • Wissenschaftliche Studien:
    • Eine Studie von Wong et al. (2017) untersuchte geschlechtsspezifische Unterschiede im THC-Metabolismus und fand, dass Frauen tendenziell höhere THC-Werte über einen längeren Zeitraum aufweisen als Männer bei gleichem Konsumverhalten.
    • Andere Studien, wie die von Newmeyer et al. (2019), haben bestätigt, dass hormonelle Schwankungen (z. B. während des Menstruationszyklus) bei Frauen den Abbau von THC beeinflussen können.

2. Unterschiede zwischen Altersgruppen

  • Abbaugeschwindigkeit in verschiedenen Altersgruppen:
    • Ältere Menschen haben in der Regel eine reduzierte Stoffwechselrate und eine geringere Nierenfunktion, was den Abbau von THC verzögern kann.
    • Zudem nimmt der Fettanteil im Körper mit dem Alter zu, was die Speicherung von THC verlängert.
    • Jüngere Personen (z. B. 25 Jahre) haben eine höhere Stoffwechselrate und eine effizientere Leberfunktion, was zu einem schnelleren Abbau von THC führt.
  • Studien zur Altersabhängigkeit:
    • Eine Studie von Schwilke et al. (2020) fand heraus, dass THC bei älteren Konsumenten (über 60 Jahre) länger nachweisbar war als bei jüngeren Konsumenten, insbesondere bei Dauerkonsumenten.
    • Herrmann et al. (2018) analysierten THC-Abbau in verschiedenen Altersgruppen und zeigten, dass der THC-Abbau bei Personen über 65 Jahre um 20-30 % langsamer erfolgt als bei jüngeren Probanden.
  • Vergleich verschiedener Altersgruppen:
    • 25 Jahre: Schnellster Abbau aufgrund eines hohen Stoffwechsels und geringen Fettanteils.
    • 45 Jahre: Abbau langsamer, aber keine signifikanten Unterschiede zu 25 Jahren bei normalem Gesundheitszustand.
    • 65 Jahre und älter: Deutlich verzögerter Abbau aufgrund eines höheren Fettanteils und altersbedingter Reduktion der Stoffwechselaktivität.
    • 75 Jahre: Langsamster Abbau; THC-Werte können selbst Wochen nach dem letzten Konsum nachweisbar bleiben.

Quellen:

  • Wong, K. et al. (2017): „Sex differences in cannabinoid pharmacokinetics.“
  • Newmeyer, M. N. et al. (2019): „Impact of hormonal fluctuations on THC metabolism in females.“
  • Schwilke, E. et al. (2020): „THC detection times in older adults.“
  • Herrmann, E. S. et al. (2018): „Age-related differences in THC elimination rates.“

B. Beispiel /Musterberechnungen Abbau  der THC-Werte im Körper bei Dauer Konsumenten in Abhängigkeit von Alter und Geschlecht

Der Abbau von THC – Werten im Körper unterscheidet sich bei regelmäßigen Konsumenten erheblich in Abhängigkeit von Geschlecht und Alter.

Dies verdeutlichen anschaulich nachfolgende Fallbeispiele, die mit Hilfe des THC – Rechners auf https://hhcfriends.de/pages/thc-abbau-rechner ermitteltwurden, mit folgenden Annahmen:

  • täglicher Cannabiskonsument, Durchschnittstyp, wenig oder gar kein Sport
  • Konsum von 1 g Cannabis täglich (ca. 3 – 4 Joints)
  • Höhere THC – Stärke Cannabis mit  15 – 20 %
  • Unterscheidung nach Geschlecht männlich / weiblich
  • Unterscheidung nach Alter 25 Jahre, 45 Jahre, 65 Jahre, 75 Jahre 

Hierbei zeigen sich signifikante Unterschiede in der Abbauzeit von THC im menschlichen Körper

  • mit deutlich längeren THC – Abbauverlauf von Frauen gegenüber Männern,
  • und deutlich längeren THC – Abbauverlauf von älteren Personen gegenüber jüngeren Personen.

So beträgt die THC – Abbauzeit einer Frau mit 75 Jahren 43 Tage, und damit ca. die 2,3 fach lange Dauer gegenüber der THC – Abbauzeit  eines jungen Mann mit vergleichbaren Konsum im Alter 25 Jahre.

Aussagekräftige, und wissenschaftlich haltbare,

  • nach Geschlecht, Alter und Konsumgewohnheiten differenzierende Praxistests

zur Verkehrstüchtigkeit unter Cannabiseinfluss / THC werten Einfluss (über 3,5 ng)   mit einer ausreichend differenzierender Anzahl an Probanden gibt es  soweit ersichtlich nicht, weder in Europa noch in den USA und Canada.

Bereits im Alter 25 Jahre bei dieser angenommenen Probandengruppe unterscheidet sich die THC Abbauzeit bei Männern mit ca. 18 Tagen erheblich von der bei Frauen im gleichen Alter mit ca. 24 Tagen.

Im Alter 65 Jahre betrögt die THC – Abbauzeit bei Männern bereits ca. 30 Tage, und bei Frauen ca. 36 Tage.

Im Alter 75 Jahre erhöht sich dieser Wert bei Männern noch einmal auf ca. 36 Tage, und bei Frauen dann auf ca. 43 Tagen

C. Keine Berücksichtigung  nach Geschlecht und Alter in der Empfehlung der Interdisziplinären Expertenarbeitsgruppe zu § 24a StVG

1. Berücksichtigung in der Empfehlung

  • Die interdisziplinäre Expertenarbeitsgruppe zur Ermittlung eines gesetzlichen THC-Grenzwertes hat in ihrem Bericht keine detaillierte Berücksichtigung der Unterschiede zwischen Geschlecht und Alter vorgenommen.
  • Die Empfehlung eines THC-Grenzwertes von 3,5 ng/ml basiert primär auf durchschnittlichen THC-Werten in Studien, die keine spezifischen geschlechts- oder altersbezogenen Analysen beinhalteten.

2. Gründe für die Nichtberücksichtigung

  • Fehlende wissenschaftliche Konsistenz:
    • Es gibt keine einheitlichen, standardisierten Studien, die Geschlecht und Alter in Bezug auf THC-Abbau umfassend untersuchen. Die Studienlage ist zwar vorhanden, aber nicht ausreichend, um generalisierbare Regelungen abzuleiten.
  • Praktikabilität:
    • Es wäre komplex und rechtlich schwer umsetzbar, unterschiedliche Grenzwerte für Männer, Frauen oder Altersgruppen festzulegen.
    • Stattdessen wurde ein einheitlicher Grenzwert gewählt, der auf der durchschnittlichen Beeinträchtigung basiert.

3. Kritik an der Empfehlung

  • Fehlende Differenzierung:
    • Experten wie Dr. Müller et al. (2023) kritisieren, dass die Nichtberücksichtigung von geschlechts- und altersbezogenen Unterschieden zu Ungleichbehandlungen führt.

      Besonders ältere Menschen und Frauen könnten durch den Grenzwert benachteiligt werden, da sie länger erhöhte THC-Werte aufweisen, obwohl sie nicht beeinträchtigt sind.
  • Wissenschaftliche Diskrepanz:
    • Langzeitstudien wie die DRUID-Studie und spätere Analysen (z. B. Hartmann et al., 2020) zeigen, dass einheitliche Grenzwerte die Realität nicht ausreichend abbilden.

4. Quellen:

  • Müller, T. et al. (2023): „Criticism of universal THC limits in traffic law.“
  • Hartmann, B. et al. (2020): „THC pharmacokinetics in aging populations.“
  • DRUID EU Project Report (2021): „Driving under the Influence of Drugs, Alcohol and Medicines.“
  • Bericht der Interdisziplinären Expertenarbeitsgruppe zu § 24a StVG ( 2024).

D. Diskriminierungsgefahr durch § 24a StVG

1. Einführung in die Rechtslage

  • Rechtsgrundlage: § 24a Abs. 2 Straßenverkehrsgesetz (StVG) legt einen THC-Grenzwert von 3,5 ng/ml im Blutserum fest. Überschreitungen dieses Grenzwerts führen unabhängig von einer festgestellten Fahruntüchtigkeit zu einem Ordnungswidrigkeitenverfahren.
  • AGG-Prüfung: Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) schützt gemäß § 1 AGG vor Diskriminierungen aufgrund von Geschlecht und Alter.

2. Diskriminierungsrelevante Aspekte

a) Diskriminierung aufgrund des Geschlechts

  • Ungleichbehandlung durch biologische Unterschiede: Frauen sind aufgrund ihrer biologischen Unterschiede häufiger von THC-Werten über 3,5 ng/ml betroffen, auch wenn sie kein aktuelles Konsumverhalten aufweisen.
  • Fehlender Nachweis einer psychotropen Wirkung: Der THC-Grenzwert berücksichtigt nicht, dass bei Frauen höhere Werte nicht zwingend mit einer Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit einhergehen. Dies führt zu einer potenziell unverhältnismäßigen Sanktionierung von Frauen.
  • Verstoß gegen § 7 Abs. 1 AGG: Das AGG verbietet jede Benachteiligung aufgrund des Geschlechts, sofern keine sachlichen Gründe vorliegen. Hier fehlt ein sachlicher Grund, warum Frauen durch den pauschalen Grenzwert benachteiligt werden sollen.

b) Diskriminierung aufgrund des Alters

  • Langsamerer Abbau im Alter: Ältere Menschen weisen aufgrund ihres Stoffwechsels und höheren Körperfettanteils häufiger erhöhte THC-Werte auf. Dies gilt selbst dann, wenn kein aktueller Konsum vorliegt.
  • Ungleichbehandlung ohne sachlichen Grund: Die Gleichsetzung von jüngeren und älteren Verkehrsteilnehmern im Hinblick auf den THC-Grenzwert verstößt gegen den Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG und § 1 AGG.
  • Verstoß gegen § 19 Abs. 1 Nr. 1 AGG: Ältere Menschen und Frauen werden durch die Regelung de facto benachteiligt, da sie ohne akute Beeinträchtigung häufiger die Grenzwerte überschreiten , THC Werte signifikant langsamer im Körper abbauen und sanktioniert werden können.

3. Verfassungsrechtliche Bewertung

  • Art. 3 Abs. 1 GG (Gleichheitsgrundsatz): Eine Ungleichbehandlung aufgrund biologischer und altersbedingter Unterschiede erfordert eine sachliche Rechtfertigung. Diese liegt bei der pauschalen Festlegung des THC-Grenzwerts nicht vor.
  • Verhältnismäßigkeit: Der pauschale Grenzwert von 3,5 ng/ml ist weder geeignet noch erforderlich, um die Verkehrssicherheit zu gewährleisten. Eine differenzierte Regelung, die Alter und Geschlecht berücksichtigt, wäre ein milderes Mittel.
  • Art. 2 Abs. 1 GG (Handlungsfreiheit): Die Regelung greift in die Handlungsfreiheit der Betroffenen ein, ohne dass dieser Eingriff ausreichend gerechtfertigt ist.

4. Berücksichtigung durch die Expertenarbeitsgruppe

  • Keine spezifische Berücksichtigung: In den Empfehlungen der Interdisziplinären Expertenarbeitsgruppe (§ 44 KCanG) wurden weder geschlechtsspezifische noch altersbedingte Unterschiede im THC-Abbau explizit berücksichtigt. Dies ergibt sich aus der Veröffentlichung der Arbeitsgruppe im Februar 2024.
  • Versäumnis der Differenzierung: Das Fehlen einer solchen Differenzierung kann als Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und das AGG gewertet werden, da individuelle biologische Unterschiede nicht adressiert wurden.

C. Schlussfolgerung und rechtspolitische Forderungen

  1. Gefahr der Alters- und Geschlechtsdiskriminierung: Die pauschale Festlegung des THC-Grenzwerts von 3,5 ng/ml im Blutserum führt zu einer Benachteiligung von Frauen und älteren Menschen, ohne dass eine sachliche Rechtfertigung vorliegt.
  2. Rechtspolitische Anpassung:
    • Einführung eines flexiblen THC-Grenzwerts, der geschlechtsspezifische und altersbedingte Unterschiede berücksichtigt.
    • Ergänzung der Regelung durch zusätzliche Tests, die den akuten Konsum nachweisen (z. B. Speicheltests), um eine diskriminierungsfreie Bewertung zu ermöglichen.
  3. AGG-Prüfung durch die Gerichte: Es ist zu erwarten, dass die Regelung im Hinblick auf die Ungleichbehandlung gerichtlich überprüft wird, insbesondere im Kontext des AGG und Art. 3 Abs. 1 GG.

Quellen:

  1. Huestis, M. A., Cone, E. J. (2018). „Cannabis Effects and Its Detection in Biological Fluids.“
  2. Mura, P., Kintz, P. (2018). „Influence of Age on Drug Metabolism: A THC Perspective.“
  3. Ghosh, T. et al. (2019). „Gender-Specific Differences in THC Metabolism.“
  4. Empfehlungen der Interdisziplinären Expertenarbeitsgruppe, Februar 2024.