Rechtsprechung zu Cannabis im Straßenverkehr 2024

28.12.2024 – bs Im Jahr 2024 hat sich die Rechtsprechung seit der Einführung des seit dem 01.04.2024 geltenden Konsumcannbisgesetz (KCanG) zu Cannabis im Straßenverkehr durch nachfolgend zusammen gefasste  Urteile und Beschlüsse diverser Gerichte weiterentwickelt.

Die überwiegende Anzahl der Gerichte ging dabei zu Gunsten der Beschuldigten auch für Altfälle mit Tatvorwurf vor dem 01.04.2024 von der Anwendbarkeit des seit dem 22.08.2024  geltenden Grenzwert von 3,5 Nanogramm THC je Milliliter Blutserum (statt bisher 1,0 Nanogramm THC) aus.

Dabei soll nach nach einer Mindermeinung des  BayObLG mit Beschluss vom 2. Mai 2024, Az.: 202 ObOWi 374/24 für Altfälle vor dem 01.04.2024 die bisherige Regelung „alt“ bestehender Vorschriften wie § 24a StVG oder § 14 FeV mit dem bis dahin geltenden Grenzwert  1,0 Nanogramm THC statt jetzt  3,5 Nanogramm THC je Milliliter Blutserum fortgelten.

Die Mehrheit der Gerichte hält indes auch für Altfälle vor dem 01.04.2024  jetzt den Wirkungsgrenzwert von 3,5 ng/ml THC für massgeblich.

Die folgende Darstellung fasst die wichtigsten Entscheidungen des Jahres 2024 zum KCanG im Verkehrsrecht in der Reihenfolge ihrer Urteilsdaten zusammen:

Urteil des Amtsgerichts Dortmund vom 11. April 2024, Az.: 729 OWi-251 Js 287/24 -27/24

Sachverhalt

  • Dem Betroffenen wurde vorgeworfen, ein Fahrzeug mit einer THC-Konzentration von 3,1 ng/ml im Blutserum geführt zu haben.
  • Grundlage der Anklage war ein Verstoß gegen § 24a Abs. 2 StVG.

Entscheidung des Gerichts

  • Der Betroffene wurde freigesprochen.
  • Das Gericht berief sich auf die Empfehlungen einer interdisziplinären Expertengruppe, die im Rahmen des Cannabisgesetzes (KCanG) einen neuen THC-Wirkungsgrenzwert von 3,5 ng/ml vorgeschlagen hatte.

Begründung

  1. Antizipiertes Sachverständigengutachten
    • Das Gericht wertete die Empfehlungen der Expertengruppe als ein antizipiertes Sachverständigengutachten.
    • Die Empfehlungen gelten als wissenschaftlich fundiert und konservativ.
  2. Neue Risikobewertung durch das KCanG
    • Der bisherige Nachweisgrenzwert von 1,0 ng/ml wurde verworfen, da er keine verkehrssicherheitsrelevante Wirkung garantiert.
    • Der vorgeschlagene Grenzwert von 3,5 ng/ml soll nur solche Verstöße sanktionieren, bei denen ein Bezug zum Führen eines Kraftfahrzeugs besteht.

Fazit

Das Urteil zeigt, dass das Amtsgericht Dortmund bereits vor einer gesetzlichen Kodifizierung den neuen THC-Wirkungsgrenzwert angewandt hat.

Beschluss des BayObLG vom 2. Mai 2024, Az.: 202 ObOWi 374/24

Sachverhalt

  • Der Betroffene hatte am 4. Mai 2023 ein Fahrzeug mit einer THC-Konzentration von 1,1 ng/ml geführt.
  • Das Amtsgericht Passau verhängte eine Geldbuße von 1.000 Euro und ein dreimonatiges Fahrverbot.

Entscheidung des BayObLG

  • Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wurde als unbegründet verworfen.
  • Der Grenzwert von 1 ng/ml bleibt maßgeblich.

Begründung

  1. Fortgeltung des analytischen Nachweisgrenzwerts
    • Das Gericht stellte fest, dass der Nachweisgrenzwert von 1 ng/ml weiterhin gültig ist.
    • Eine Änderung des Grenzwerts wurde bislang nicht gesetzlich implementiert.
  2. Verweis auf ständige Rechtsprechung
    • Der Senat verwies auf frühere Entscheidungen, wonach der Nachweisgrenzwert von 1 ng/ml ausreichend ist, um eine verkehrssicherheitsrelevante Wirkung zu belegen.

Fazit

Das BayObLG betont die Notwendigkeit einer gesetzlichen Festlegung eines neuen Grenzwerts, solange bleibt der Nachweisgrenzwert von 1 ng/ml bindend.

Beschluss des OLG Oldenburg vom 29. August 2024, Az.: 2 ORbs 95/24

Sachverhalt

  • Der Betroffene wurde wegen einer THC-Konzentration von 1,3 ng/ml zu einer Geldbuße von 1.000 Euro und einem dreimonatigen Fahrverbot verurteilt.

Entscheidung des Gerichts

  • Der Betroffene wurde freigesprochen.

Begründung

  1. Günstigeres Recht nach § 4 Abs. 3 OWiG
    • Das Gericht wandte den neuen Wirkungsgrenzwert von 3,5 ng/ml THC an, da dieser günstiger für den Betroffenen war.
  2. Keine Veranlassung zur Anwendung des alten Rechts
    • Der bisherige analytische Grenzwert von 1 ng/ml wurde als wissenschaftlich überholt angesehen.

Fazit

Das OLG Oldenburg stellt fest, dass die Änderungen des KCanG unmittelbare Auswirkungen auf die Beurteilung von Drogenfahrten haben.

Beschluss des OVG Lüneburg vom 23. September 2024, Az.: 12 PA 27/24

Sachverhalt

  • Der Betroffene klagte gegen den Entzug der Fahrerlaubnis nach einer Fahrt unter Cannabiseinfluss im Jahr 2021.

Entscheidung des Gerichts

  • Die Beschwerde des Betroffenen wurde zurückgewiesen.

Begründung

  1. Maßgeblicher Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung
    • Der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (2022) war entscheidend.
    • Gesetzesänderungen durch das KCanG und § 24a StVG waren nicht rückwirkend anwendbar.
  2. Unkooperatives Verhalten
    • Die Weigerung, ein angefordertes Gutachten vorzulegen, rechtfertigte den Entzug der Fahrerlaubnis.

Fazit

Das OVG Lüneburg bleibt bei der bisherigen Praxis und betont die Bedeutung des jeweiligen Entscheidungszeitpunkts.

Beschluss des BayObLG vom 10. Oktober 2024, Az.: 202 ObOWi 989/24

Sachverhalt

  • Der Betroffene wurde mit 2,1 ng/ml THC im Blutserum angehalten.

Entscheidung des Gerichts

  • Der Betroffene wurde freigesprochen.

Begründung

  1. Neue Grenzwerte nach § 24a Abs. 1a StVG
    • Der neue Grenzwert von 3,5 ng/ml THC wurde angewandt.
    • Der bisherige analytische Nachweisgrenzwert wurde als veraltet betrachtet.
  2. Verfolgungsverjährung für alternative Ahndung
    • Eine Ahndung nach § 24c StVG war aufgrund der eingetretenen Verjährung ausgeschlossen.

Fazit

Das BayObLG betont die Relevanz des neuen Grenzwerts und stellt die Verjährung als weiteren Faktor heraus.

Beschluss des VG Bremen vom 28. November 2024, Az.: 5 V 2773/24

Sachverhalt

  • Die Antragstellerin weigerte sich, ein medizinisch-psychologisches Gutachten vorzulegen, nachdem sie wiederholt unter Alkohol- und Cannabiseinfluss auffällig wurde.

Entscheidung des Gerichts

  • Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung wurde abgelehnt.

Begründung

  1. Gutachtensanordnung nach § 14 Abs. 2 Nr. 3 FeV
    • Die Anordnung eines Gutachtens war rechtmäßig, da wiederholte Zuwiderhandlungen vorlagen.
  2. Fehlende Mitwirkung
    • Die Weigerung, das Gutachten vorzulegen, rechtfertigte den Entzug der Fahrerlaubnis nach § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV.

Fazit

Das VG Bremen unterstreicht die Bedeutung der Mitwirkungspflichten bei der Klärung von Fahreignungszweifeln.

Schlussbetrachtung

Die Rechtsprechung 2024 zeigt Uneinheitlichkeit im Umgang mit Cannabis im Straßenverkehr. Während einige Gerichte wie das BayObLG für Altfälle bis 01.04.2024 auf den analytischen Nachweisgrenzwert von 1 ng/ml setzen, orientieren sich andere Gerichte bereits an den neuen Grenzwerten des KCanG.