
1.3 Die nachfolgende ausführlichere Zusammenfassung wesentlicher Bereiche des 199 Seiten umfassenden EKOCAN-Berichts unterteilt sich in
- zu 2. Entwicklung des Cannabismarktes (S. 55–95 EKOCAN-Bericht)
- zu 3. Kinder- und Jugendschutz (S. 96–113 EKOCAN-Bericht)
- zu 4. Gesundheitsschutz (S. 114–135 EKOCAN-Bericht)
- zu 5. Cannabisbezogenen Kriminalität (S. 136 – 166 EKOCAN-Bericht)
- zu 6. Auswirkungen des Konsumverbots (§ 5 KCanG) (S. 167–176 EKOCAN Bericht)
- zu 7. Evaluation der Besitz- und Weitergabemengen (§§ 3, 19 KCanG) (S. 177–189 EKOCAN-Bericht)
Im einzelnen gilt folgendes:
Evaluation der Besitz- und Weitergabemengen
7.0 Evaluationsauftrag & Rechtsrahmen (S. 177)
Im Rahmen des Evaluationsauftrags nach § 43 Abs. 2 KCanG musste bis zum 01.10.2025 untersucht werden, wie sich die im Gesetz vorgesehenen Grenzen für Besitz- und Weitergabemengen in der Praxis bewähren. Die maßgeblichen Grenzen sind im § 3 KCanG festgelegt:
- In der Öffentlichkeit dürfen erwachsene Personen bis zu 25 Gramm Cannabis mit sich führen.
- Am Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt sind bis zu 50 Gramm erlaubt.
- Außerdem ist es gestattet, bis zu drei lebende Cannabispflanzen privat anzubauen.
Wird diese Grenze überschritten, greifen abgestufte Rechtsfolgen:
- Bei Mengen über 30 Gramm in der Öffentlichkeit oder über 60 Gramm im privaten Bereich liegt eine Straftat nach § 34 Abs. 1 Nr. 1 KCanG vor.
- Mengen oberhalb der zulässigen Werte, aber unterhalb der Strafbarkeitsgrenze, werden als Ordnungswidrigkeit nach § 36 Abs. 1 Nr. 1 KCanG verfolgt.
Damit ergibt sich ein Mengenregime, das zwischen alltagspraktischer Legalität für Konsumierende einerseits und der wirksamen Sanktionierung von Handel oder übermäßigen Mengen andererseits abwägt.
Kernaussage: Das Mengenregime schafft eine Balance zwischen Alltagstauglichkeit und strafrechtlicher Eingriffsintensität.
7.1 Überforderung/Unterdeckung aus Sicht der Konsumierenden (S. 177–181)
Der Bericht beschreibt einen Zielkonflikt, der sich aus der unterschiedlichen Bewertung der Mengen ergibt.
- Sicht von Konsumierenden und deren Verbänden (z. B. DHV):
Für den öffentlichen Raum gilt die Grenze von 25 Gramm als „arrangierbar“ und für den Alltag überwiegend ausreichend. Kritisiert wird jedoch die 50-Gramm-Grenze am Wohnsitz, insbesondere für Personen, die Eigenanbau betreiben. Diese können nach der Ernte leicht Mengen oberhalb von 50 Gramm erreichen. Die Bewertung der Konsumierenden lautet deshalb, dass die gesetzliche Vorgabe in diesem Bereich realitätsfern sei. - Sicht der Polizei (u. a. BDK-Funktionäre):
Polizeiseitig wird argumentiert, dass eine niedrigere Obergrenze im öffentlichen Raum die Verfolgung des Kleinhandels erleichtern könne. Sie erhöhe die Wahrscheinlichkeit, dass aufgegriffene Mengen rechtlich relevant sind und damit Verfahren gegen Dealer eingeleitet werden können.
Damit zeigt sich ein Kompromisscharakter der Regelungen: Auf der einen Seite steht das Bedürfnis der Konsumierenden nach praktischer Handhabung im Alltag, auf der anderen Seite die polizeilichen Ermittlungsinteressen.
Kernaussage: Die Regelung ist ein Kompromiss mit offenen Implikationen – praktikabel für den Transport, aber problematisch im Kontext des Eigenanbaus.
- Zusammenfassung (S. 181):
Der Transport üblicher Konsummengen ist in der Öffentlichkeit durch die 25-Gramm-Grenze in den meisten Fällen abgedeckt und rechtlich unproblematisch. Anders verhält es sich am Wohnsitz: Durch Eigenanbau überschreiten viele Haushalte zwangsläufig die 50-Gramm-Grenze, da schon drei Pflanzen Erträge oberhalb dieses Limits hervorbringen können.
Kernaussage: Die öffentliche Grenze ist praxisnah, während die private Grenze häufig mit der Realität des Eigenanbaus kollidiert.
7.2 Praktische Implikationen & Verstöße (S. 181–186)
7.2.1 Selbstberichtete Verstöße (S. 181–182)
Die Datenbasis stützt sich auf eine Stichprobe von 4.677 Personen, die im EKOCAN-Survey angaben, in den letzten 12 Monaten Cannabis konsumiert zu haben, ohne ein Rezept für medizinisches Cannabis zu besitzen, und die valide Angaben zu Besitzmengen gemacht haben.
- Lagerung am Wohnsitz:
- 86,9 % der Befragten gaben an, dass sie zu Hause nicht mehr als 50 Gramm aufbewahren.
- Damit bleibt die klare Mehrheit innerhalb der gesetzlichen Grenzen.
- Überschreitungen nach Konsumfrequenz:
- 6,8 % bei seltenem Konsum (<1×/Monat),
- 8,7 % bei mindestens monatlichem Konsum,
- 12,2 % bei mindestens wöchentlichem Konsum,
- 17,0 % bei täglichem Konsum.
Die Daten zeigen also einen deutlichen Zusammenhang: Je häufiger konsumiert wird, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass die 50-Gramm-Grenze überschritten wird.
- Ahndung:
Lediglich 0,3 % berichteten, dass sie wegen Besitzes von Cannabis (ohne Differenzierung nach Ort) eine polizeiliche oder ordnungsrechtliche Ahndung erfahren haben.
Im Zusammenhang mit Anbaumengen lag die berichtete Ahndungsquote sogar nur bei 0,2 %.
Kernaussage: Verstöße gegen die Besitzgrenzen treten vor allem bei Vielkonsumierenden auf, werden aber äußerst selten sanktioniert.
7.2.2 Verfolgungspraxis aus Sicht der Polizei (S. 182)
Die polizeiliche Einschätzung zur Angemessenheit der Mengenregelungen ist heterogen. Während einige die Grenzen als großzügig, andere sie als angemessen und wieder andere sie als zu restriktiv bewerten, zeigen sich Unterschiede zwischen Behörden und Regionen. Eine abschließende Bewertung soll durch weitere Analysen (Tab. 25) erfolgen.
Kernaussage: Polizeiliche Einschätzungen zur Höhe der Grenzen sind uneinheitlich; es gibt keine klare Mehrheitsposition.
7.3 Weitergabemengen in Anbauvereinigungen (S. 186–189)
Die Evaluation der Weitergabe in Anbauvereinigungen nach § 19 KCanG basiert auf den bislang erhobenen Daten, die jedoch methodische Grenzen haben.
- Datenbasis:
Es handelt sich um fallbezogene Angaben, nicht um personenbezogene. Das bedeutet: Eine einzelne Person kann mehrfach pro Tag Cannabis erhalten, sodass die Erfassung noch nicht erlaubt, exakte Aussagen über individuelle Einhaltung der Weitergabegrenzen zu treffen. - Limitierungen:
Die Autor:innen betonen, dass eine direkte Evaluation des § 19 Abs. 3 KCanG derzeit noch nicht valide möglich ist. In späteren Erhebungswellen soll die Datenerfassung nachgeschärft werden, um eine personenbezogene Kontrolle zu ermöglichen.
Kernaussage: Methodische Nachschärfungen sind erforderlich, um die gesetzlichen Vorgaben der Weitergabe künftig belastbar zu prüfen.
- Verteilte Mengen (bisherige Beobachtung):
Die bisherigen Angaben zeigen:- Mittelwert: 7,6 g pro Weitergabe,
- Median: 5 g,
- Interquartilsabstand (IQR): 5–10 g,
- Spannweite: 0,3–25 g.
Damit liegen die üblichen Weitergaben klar im unteren einstelligen Grammbereich, nur wenige Fälle erreichen die gesetzlich erlaubte Obergrenze.
Kernaussage: Die praktische Weitergabe in Clubs bleibt moderat, durchschnittlich um 5–8 g pro Mitglied.
7.4 Kapitel-Fazit 11 (S. 177–189)
Die Evaluation zeigt, dass das gesetzliche Mengenregime im Alltag weitgehend funktioniert.
Der Transport üblicher Konsummengen in der Öffentlichkeit ist durch die 25-Gramm-Grenze abgedeckt, während die 50-Gramm-Grenze im privaten Bereich regelmäßig durch Eigenanbau überschritten wird.
Allerdings werden solche Überschreitungen nur selten sanktioniert.
Die Weitergaben in Anbauvereinigungen bewegen sich typischerweise im unteren Grammbereich und verursachen keine systematischen Probleme, sind jedoch noch nicht personenscharf überprüfbar.
Kernaussage: Das Mengenregime ist praxistauglich. Probleme ergeben sich vor allem durch Eigenanbau und Überschreitungen im privaten Bereich, die bislang kaum geahndet werden. In Anbauvereinigungen sind die Abgabemengen moderat, doch eine präzisere Datenerfassung ist nötig, um § 19 KCanG künftig belastbar evaluieren zu können.
8. Vorläufige Folgerungen (S. 190–191)
Der Bericht zieht ein klares Zwischenfazit: Das Gesetz funktioniert grundsätzlich.
Im Jugendbereich ist der Konsum weiter rückläufig, die Konsumverbote greifen und der Schutzstandard bleibt hoch.
Bei den Erwachsenen hingegen hat der Konsum deutlich zugenommen, was zu mehr gesundheitlichen Problemen führt.
Die Anbauvereinigungen sind bisher irrelevant, da sie kaum zur Versorgung beitragen.
Der Schwarzmarkt bleibt stark, sodass eine echte Marktverdrängung nicht erreicht wurde.
Die Besitz- und Weitergabemengen haben sich als praktikabel erwiesen.
Essential: Die einzige klare Empfehlung lautet, dass die Auflagen für Clubs vereinfacht werden sollten, wenn der Gesetzgeber das Ziel einer spürbaren Schwarzmarktverdrängung ernsthaft erreichen will.