
1.3 Die nachfolgende ausführlichere Zusammenfassung wesentlicher Bereiche des 199 Seiten umfassenden EKOCAN-Berichts unterteilt sich in
- zu 2. Entwicklung des Cannabismarktes (S. 55–95 EKOCAN-Bericht)
- zu 3. Kinder- und Jugendschutz (S. 96–113 EKOCAN-Bericht)
- zu 4. Gesundheitsschutz (S. 114–135 EKOCAN-Bericht)
- zu 5. Cannabisbezogenen Kriminalität (S. 136 – 166 EKOCAN-Bericht)
- zu 6. Auswirkungen des Konsumverbots (§ 5 KCanG) (S. 167–176 EKOCAN Bericht)
- zu 7. Evaluation der Besitz- und Weitergabemengen (§§ 3, 19 KCanG) (S. 177–189 EKOCAN-Bericht)
Im einzelnen gilt folgendes:
Auswirkungen des Konsumverbots
6.1 Theorie und Zielsetzung (S. 167–169)
Der Bericht legt zunächst die gesetzlichen Grundlagen des Konsumverbots dar. Nach § 5 Abs. 1 KCanG ist es verboten, Cannabis in unmittelbarer Gegenwart von Kindern und Jugendlichen zu konsumieren. Darüber hinaus bestimmt § 5 Abs. 2 KCanG, dass der Konsum auch an Orten untersagt ist, die als jugendnah gelten. Dazu zählen insbesondere Schulen, Spielplätze, Kinder- und Jugendeinrichtungen sowie Sportstätten. Auch in Fußgängerzonen gilt ein zeitlich begrenztes Verbot: Dort ist der Konsum zwischen 7:00 Uhr und 20:00 Uhr untersagt.
Verstöße gegen diese Verbotsnormen stellen eine Ordnungswidrigkeit dar und können nach § 36 Abs. 1 Nr. 4 KCanG mit einem Bußgeld geahndet werden. Der Bußgeldrahmen ist nach § 36 Abs. 2 Satz 2 KCanG weit gefasst und beträgt bis zu 10.000 Euro.
Das Konsumverbot verfolgt damit ein doppeltes Schutzziel:
- Zum einen sollen Kinder und Jugendliche nicht durch Passivrauchen gefährdet werden.
- Zum anderen soll durch die räumliche und zeitliche Einschränkung des Konsums verhindert werden, dass Cannabis in der Öffentlichkeit eine Normalisierungswirkung entfaltet. Jugendliche sollen nicht mit einem Bild konfrontiert werden, in dem Cannabiskonsum als selbstverständlicher Teil des öffentlichen Lebens erscheint.
In theoretischer Hinsicht wird auch das Wirkmodell der Verbotsnorm beschrieben. Damit die Regelungen wirksam sein können, sind drei Voraussetzungen erforderlich:
- Normkenntnis – Die Konsumierenden müssen die Regeln kennen.
- Normklarheit – Die Regelungen müssen eindeutig und verständlich formuliert sein.
- Normvollzug – Es muss eine realistische Möglichkeit bestehen, Verstöße zu sanktionieren.
Ziel des Gesetzgebers ist es, durch diese Normstruktur sowohl spezialpräventive Wirkungen (Verhaltensänderung bei einzelnen Konsumierenden) als auch generalpräventive Wirkungen (allgemeine Abschreckung, Vorbildfunktion für Jugendliche) zu erzielen.
Kernaussage: Das Konsumverbot dient einem doppelten Schutzziel – dem Schutz vor Passivkonsum und der Vermeidung von Normalisierungseffekten. Damit es wirksam ist, müssen die Normen bekannt, verständlich und durchsetzbar sein.
6.2 Empirische Belege (S. 169–171)
6.2.1 Selbstberichtete Verstöße (EKOCAN-Survey, n = 4.800)
Die Wirkung der Konsumverbote wurde insbesondere im EKOCAN-Survey untersucht, an dem rund 4.800 Personen teilnahmen. Dabei gaben 91,5 % der Befragten an, niemals Cannabis in Sichtweite jugendnaher Orte konsumiert zu haben.
Die Daten zeigen aber, dass die Wahrscheinlichkeit von Verstößen mit der Konsumfrequenz steigt:
- Bei gelegentlichen Konsumierenden (< 1× pro Monat) lag die Verstoßquote bei 2,2 %.
- Bei Konsumierenden, die mindestens einmal monatlich konsumieren, lag der Anteil bereits bei 5,2 %.
- Bei Personen mit wöchentlichem Konsum betrug er 7,6 %.
- Unter denjenigen, die täglich oder fast täglich konsumieren, erreichte die Quote schließlich 11,9 %.
Die Daten belegen damit, dass häufige Konsumierende ein höheres Risiko aufweisen, gegen die Konsumverbote zu verstoßen, während Gelegenheitskonsumenten sich fast durchweg regelkonform verhalten.
Hinsichtlich der Sanktionspraxis zeigt sich, dass Verstöße bisher praktisch kaum geahndet wurden. Lediglich ein einziger dokumentierter Fall ist bekannt: Ein Verstoß in einer Fußgängerzone führte zu einem Bußgeld. Im Kontext „in Anwesenheit von Kindern“ wurde kein einziger Fall geahndet.
Kernaussage: Die Konsumverbote werden weit überwiegend beachtet. Verstöße treten vor allem bei Vielkonsumierenden auf, bleiben aber die Ausnahme und werden bislang kaum sanktioniert.
6.2.2 Verfolgungspraxis (OBCAN/POLCAN) (S. 170–171)
Ergänzend wurden auch die Rückmeldungen von Ordnungsämtern und Polizeibehörden im Rahmen der Befragungen OBCAN und POLCAN ausgewertet. Diese Behörden gaben Hinweise auf ihre praktischen Erfahrungen bei der Durchsetzung der Konsumverbote.
Die Rückmeldungen betreffen unter anderem:
- die Zonierung der Verbotsbereiche,
- die praktische Befolgung durch Konsumierende,
- die Möglichkeiten zur Kontrolle und zum Einsatz technischer Hilfsmittel (z. B. Messgeräte).
Die bisherigen Ergebnisse werden im Bericht nur summarisch dargestellt; eine detailliertere Analyse wurde für die kommenden Evaluationswellen angekündigt.
Kernaussage: Die Behörden nehmen die Konsumverbote wahr und kontrollieren punktuell, eine systematische Auswertung ihrer Erfahrungen steht aber noch aus.
6.3 Abschlussbewertung (Kapitelende, S. 177)
Am Ende des Kapitels ziehen die Autor:innen ein differenziertes Fazit.
Grundsätzlich zeigen die Daten, dass die Konsumverbote wirksam sind und eingehalten werden. Handlungsdruck für den Gesetzgeber besteht derzeit nicht.
Allerdings wird zugleich darauf hingewiesen, dass die Regelungen in der Fläche nicht durchsetzbar sind. Aufgrund begrenzter Kontrollkapazitäten und der hohen Befolgungsrate erscheint eine flächendeckende Überwachung weder nötig noch realistisch.
Deshalb werden mögliche Vereinfachungen in der Ausgestaltung der Konsumverbote als denkbar bezeichnet.
Kernaussage: Kein unmittelbarer Änderungsbedarf. Die Verbote erfüllen ihre Schutzziele, doch sind sie in der Fläche nicht voll durchsetzbar; eine Vereinfachung wäre rechtspolitisch erwägenswert.