26.04.24 bs Im Zuge der ersten Tageseminare zum neuen Cannabisrecht stellte sich heraus, dass wenige Teilnehmer der Seminare Schwierigkeiten haben, die Notwendigkeit der Einführung in das Seminar mit einem ausführlicheren historischen, kriminologischen und soziokulturellen Rückblick zu dem Gesetzeszweck des CanG vom 27.03.2024 ein zusehen.
Diese Einsicht erscheint allerdings zwingend erforderlich, für eine sachgerechte, zukünftig fehlerfreie, verfassungsgerechte, Prüfung des CanG vom 26.03.2024 unter insbesondere auch stets soweit geboten Berücksichtigung
- des aus Art. 20, 28 GG folgenden Verhältnismässigkeitsgrundsatz,
- Art. 2 Abs. 1 GG (Allgemeine Handlungsfreiheit): Diese Norm schützt alle Formen menschlichen Handelns. Die bisherige Strafdrohung stellt einen Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit dar, der nur unter strengen Voraussetzungen zulässig ist.
- Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG (Freiheit der Person): Die angedrohte Freiheitsstrafe in der Vergangenheit ab einer nicht geringen Menge – die deutlich unter den jetzt tolerierten 25 g zum Mitführen lag, stellt einen Eingriff in das als unverletzlich geltende Grundrecht der persönlichen Freiheit dar.
- Art. 3 Abs. 1 GG (Gleichheitsgrundsatz): Die Ungleichbehandlung von Cannabis im Vergleich zu Alkohol stellt einen Gleichheitsverstoß dar.
- Art. 6 GG (Schutz von Ehe und Familie): Die bisherige derzeitige Gesetzeslage versäumt es, Jugendliche und Familien angemessen zu schützen.
Der Unterzeichner schliesst sich insoweit zur Vermeidung von rechtlichen Missverständnissen bei der notwendigen Prüfung auch vorbezeichneter Verfassungsgrundsätze bei Anwendung des neuen CanG der Rechtsansicht des AG Bernau Vorlagebeschluss AG Bernau 2 Cs 226 Js 7322/19 (346/19) vom 18.09.2019 an, mit der das AG Bernau auf 140 Seiten ausführlichster, wissenschaftlich substantiiert belegter, Begründung dazu zusammenfassend wie folgt Stellung nimmt
- verbunden mit dem Hinweis, dass das BVerfG den Vorlagebeschluss mit Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 14. Juni 2023, – 2 BvL 3/20 -, Rn. 1-111, zurück wies https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2023/06/lk20230614_2bvl000320.html
A. Gefährlichkeit von Cannabis
I. Internationale Neubewertung
Die Gefährlichkeit von Cannabis wurde zuletzt intensiv durch das WHO Expert Committee on Drug Dependence im Jahr 2018 überprüft. Deren Bericht empfahl, basierend auf einer grundsätzlichen Revision der wissenschaftlichen Daten über Cannabis und dessen Wirkstoffe, dass Präparate aus reinem Cannabidiol (CBD) nicht mehr unter den internationalen Drogenkontrollabkommen gelistet werden sollten.
Dies wurde unter Verweis auf Artikel 3 des Einheitsabkommens über Betäubungsmittel vorgeschlagen. Weiterhin wird eine fortlaufende kritische Überprüfung für Cannabisprodukte wie Pflanzenharze, Extrakte, Öle sowie Delta 9 THC und andere THC-Isomere empfohlen.
Quellen
- WHO Expert Committee on Drug Dependence, Critical Review – Cannabis and cannabis resin, 2018
- Brief der WHO an UN-Generalsekretär António Guterres, 2019
II. Kurzfristige Wirkungen von Cannabis
Geringe akute Toxizität
Die kurzfristigen Effekte von Cannabis sind relativ unkontrovers und nicht zentral in der Debatte um die Gefährlichkeit. Es gibt bisher keine bekannten Fälle von tödlichen Überdosierungen, was auf eine sehr geringe akute Toxizität hinweist.
Quellen
- Möller, S. 75
- WHO, Critical Review 2018, Section 3.1.1
III. Langfristige pharmakologisch-klinische Wirkungen
Kontroverse Diskussion und wissenschaftliche Erkenntnisse
Langfristige Auswirkungen des Cannabiskonsums sind umstrittener als die kurzfristigen Effekte.
Frühere Annahmen über massive Gesundheitsrisiken werden durch neuere wissenschaftliche Erkenntnisse nicht mehr gestützt. Schädliche Effekte auf körperliche Funktionen sind meist nicht eindeutig nachweisbar, allerdings ist auch die Ungefährlichkeit nicht zweifelsfrei belegt.
Quellen
- Möller, S.78
IV. Psychische und soziale Konsequenzen
Auswirkungen auf die psychische Gesundheit
Der Zusammenhang zwischen Cannabisgebrauch und der Verschlechterung der psychischen Gesundheit ist wissenschaftlich nicht nachgewiesen. Problematischer Konsum tritt häufig bei bereits vorbelasteten Personen auf, jedoch lassen sich keine direkten negativen Substanzwirkungen von Cannabis feststellen. Unter dem Einfluss von Cannabis kommt es zu einer Reduzierung der kognitiven Leistungsfähigkeit, die sich nach dem Konsum jedoch wieder normalisiert und keine dauerhaften Schäden verursacht.
Quellen
- Kleiber/Kovar 1997, S.243, 244
- WHO, Critical Review 2018, Section 3.1.7
V. Cannabis-Abhängigkeit und Cannabis als Einstiegsdroge
Abhängigkeitssyndrom und Entzugssymptome
Cannabis-Abhängigkeit wird anerkannt, wobei die Symptome hauptsächlich psychischer Natur sind und physische Entzugssymptome selten vorkommen. Es gibt keine zwingende Entwicklung hin zur psychischen Abhängigkeit bei Konsumenten, und typische physische Entzugssymptome treten nur nach einer Toleranzentwicklung auf. Das häufige „Hinausreifen“ aus dem Cannabiskonsum wird als Indiz gegen ein starkes Abhängigkeitspotenzial gesehen.
Quellen
- Soellner 2010; Hall et al., 1999
- WHO, Critical Review 2018, Section 2.1.2
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VI. Beeinträchtigung der Fahr- und Flugtüchtigkeit
Ergebnisse der DRUID-Studie
Das EU-Forschungsprojekt „Driving under the Influence of Drugs, Alcohol and Medicines“ (DRUID) fand heraus, dass THC weniger beeinträchtigend wirkt als viele andere untersuchte Substanzen. Dennoch sind die Effekte von THC auf die Fahr- und Flugtüchtigkeit, insbesondere auf Wahrnehmung, Aufmerksamkeit und Reaktionsvermögen während des akuten Rausches, nicht zu vernachlässigen.
Signifikante Beeinträchtigungen treten vor allem in der ersten Stunde nach dem Konsum auf, und in sensiblen Flugsimulatorstudien sogar bis zu 24 Stunden später. Die größte Beeinträchtigung wird etwa 30 Minuten nach Inhalation beobachtet. Ab der zweiten Stunde können diese Effekte jedoch vollständig ausgeglichen sein, während automatisierte Leistungen länger beeinträchtigt bleiben.
Vergleichende Risikobewertung
Laut DRUID-Studie entspricht eine Serumkonzentration von 3,8ng/ml THC (etwa 2ng/ml im Vollblut) den Effekten von 0,5g/l Alkohol im Hinblick auf die Fahrtauglichkeit. Dies deutet auf eine relativ niedrige Risikoeinschätzung für THC im Vergleich zu Alkohol hin.
VII. Cannabis und andere Stoffe im Vergleich
Todesfallstatistiken
Vergleiche zwischen Cannabis und anderen Substanzen wie Alkohol und Tabak zeigen ein deutlich geringeres Gefährdungspotenzial von Cannabis.
Während durch Alkohol jährlich etwa drei Millionen Menschen weltweit sterben und Tabak sogar 110.000 bis 140.000 Todesfälle in Deutschland verursacht, sind Todesfälle durch Cannabis nicht bekannt.
Wissenschaftliche und gesellschaftliche Positionen
Die Deutsche Gesellschaft für Suchtforschung und weitere wissenschaftliche Studien argumentieren, dass Cannabis im Vergleich zu Alkohol und Tabak weniger gefährlich ist.
So wurde festgestellt, dass Cannabis im Gegensatz zu Alkohol sogar Aggressionen bei Konsumenten reduzieren kann. Carl Nedelmann betont, dass die medizinischen Argumente für das Cannabisverbot angesichts der im Vergleich geringen und seltenen Schäden durch Cannabis nicht haltbar sind.
VIII Abweichende Stimmen in der Cannabisdebatte
Kritik an der Prohibition
Trotz der wissenschaftlichen Erkenntnisse und der geringeren Gefährlichkeit von Cannabis im Vergleich zu legalen Substanzen gibt es starke Stimmen gegen die Legalisierung.
Diese Argumentationen sind oft nicht wissenschaftlich fundiert und basieren häufig auf überholten Daten oder Ängsten vor dem Unbekannten.
Kritiker halten an der Kriminalisierung fest, obwohl das Bundesverfassungsgericht bereits 1994 den Gesetzgeber aufgefordert hatte, die Angemessenheit der Kriminalisierung stetig zu überprüfen.
IX. Internationale Entwicklungen bei der Cannabisregulierung
Einführung von Regulierungsmodellen
Der Bundesgesetzgeber verfolgt mit dem CanG vom 27.03.2024 insbesondere auch folgenden Zweck, zu dem das AG Bernau mit Beschluss vom 18.09.2024 ausführte:
Seit 2014 haben mehrere Länder weltweit begonnen, den Cannabismarkt aktiv zu regulieren, jetzt auch seit 01.04.2024 Deutschland. Durch die Schaffung legaler Märkte soll der illegale Handel dauerhaft verdrängt werden. Diese Strategie zielt darauf ab, den Zugang zu kontrollieren und gleichzeitig kriminelle Strukturen im Drogenhandel zu schwächen.
Zielsetzung der Regulierung
Die internationalen Regulierungsansätze verfolgen mehrere Ziele:
- Schutz der Volksgesundheit: Durch regulierte Märkte soll die Qualität und Sicherheit von Cannabisprodukten gewährleistet und gesundheitsschädlicher Konsum minimiert werden.
- Sicherheit im Straßenverkehr: Maßnahmen zur Aufklärung und Prävention sollen den Einfluss von Cannabis auf die Fahrtauglichkeit reduzieren.
- Jugendschutz: Durch Altersbeschränkungen und kontrollierte Abgabestellen soll der Zugang für Jugendliche und Heranwachsende erschwert werden.
- Verhinderung von Kriminalität: Die legale Verfügbarkeit soll die kriminellen Folgeerscheinungen des Drogenmarktes, wie Gewalt und organisierte Kriminalität, reduzieren.
Relevanz für verfassungsrechtliche Bewertungen
Die Betrachtung der internationalen Entwicklungen ist von entscheidender Bedeutung für die verfassungsrechtliche Bewertung des strafbaren Verbots von Cannabis in Deutschland.
Insbesondere wird geprüft, ob die gesetzgeberischen Ziele durch eine Regulierung effektiver erreicht werden könnten, als durch das fortbestehende Verbot:
- Eignung des Gesetzes: Laut Bundesverfassungsgericht muss ein gesetzliches Verbot den angestrebten Schutzzweck fördern können.
- Erforderlichkeit des Gesetzes: Es muss geprüft werden, ob es alternative Maßnahmen gibt, die das Grundrecht weniger stark einschränken und dennoch gleich wirksam sind.
X. Historischer Kontext und wissenschaftliche Basis
Das Bundesverfassungsgericht hatte bereits 1994, basierend auf dem damaligen wissenschaftlichen Erkenntnisstand, gegen eine Freigabe von Cannabis im Rahmen des Opiumgesetzes entschieden, vor allem aus gesundheitspolitischen Erwägungen.
Die fortlaufende Prüfung und Neubewertung internationaler Regulierungsmodelle ist also auch vor dem Hintergrund früherer Entscheidungen relevant, um zu beurteilen, ob sich die wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen geändert haben und eine Anpassung der Gesetzgebung erforderlich ist.
Diese Analyse bildet eine grundlegende Grundlage für die Überlegung, dass eine Regulierung des Cannabismarktes eine angemessenere Alternative zum bis 31.03.2024 bestehenden Verbot darstellen könnte, insbesondere im Hinblick auf die verfassungsrechtlichen Anforderungen und die gesetzgeberischen Ziele Deutschlands.
B. Begründetheit der Hauptvorlage
Verstoß gegen Grundrechte
Die Anwendung der Strafvorschrift des § 29 Abs. I Nr.1 BtMG in Verbindung mit der Anlage I zu § 1 Abs. 1 BtMG, welche den unerlaubten Erwerb von Cannabisprodukten in geringer Menge unter Strafe stellt, wird als verfassungswidrig betrachtet, da sie gegen mehrere Artikel des Grundgesetzes verstößt:
- Art. 2 Abs. 1 GG (Allgemeine Handlungsfreiheit): Diese Norm schützt alle Formen menschlichen Handelns. Die Strafdrohung stellt einen Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit dar, der nur unter strengen Voraussetzungen zulässig ist.
- Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG (Freiheit der Person): Die angedrohte Freiheitsstrafe stellt einen Eingriff in das als unverletzlich geltende Grundrecht der persönlichen Freiheit dar.
- Art. 3 Abs. 1 GG (Gleichheitsgrundsatz): Die Ungleichbehandlung von Cannabis im Vergleich zu Alkohol stellt einen Gleichheitsverstoß dar.
- Art. 6 GG (Schutz von Ehe und Familie): Die derzeitige Gesetzeslage versäumt es, Jugendliche und Familien angemessen zu schützen.
I. Verhältnismäßigkeit und Übermaßverbot
Die bis 31.03.2024 geltende Rechtslage wird als unverhältnismäßig und somit als verfassungswidrig eingestuft:
- Legitimer Zweck: Die ursprünglichen Ziele des Betäubungsmittelgesetzes, wie der Schutz der Volksgesundheit und die Prävention jugendlicher Drogenabhängigkeit, werden als nicht mehr zeitgemäß oder sachgerecht betrachtet.
- Geeignetheit: Die Maßnahmen des Betäubungsmittelgesetzes, insbesondere die Kriminalisierung des Cannabiskonsums, sind nicht geeignet, die angestrebten gesetzgeberischen Ziele zu erreichen. Die Prohibition hat nicht zu einer Verringerung des Konsums geführt, sondern die Verfügbarkeit und Potenz von Cannabis erhöht.
- Erforderlichkeit: Es gibt mildere, gleich wirksame Maßnahmen, die das Grundrecht weniger stark einschränken würden, wie z.B. verwaltungsrechtliche Regelungen.
- Übermaßverbot: Die Schwere der Strafandrohung steht in keinem angemessenen Verhältnis zur Schwere des unter Strafe gestellten Verhaltens. Das Verbot ist daher unverhältnismäßig im engeren Sinne.
Fazit der rechtlichen Bewertung
Aufgrund dieser Aspekte, insbesondere der Unverhältnismäßigkeit und der nicht mehr gegebenen zeitgemäßen Begründung der Cannabisprohibition, forderte das Gericht eine Neubewertung der strafrechtlichen Regelungen im Umgang mit Cannabis.
Die Argumentation des Gerichts basiert auf umfangreichen verfassungsrechtlichen Erwägungen und zielt auf eine Anpassung der Gesetzgebung ab, die den modernen wissenschaftlichen Erkenntnissen und den Grundrechten besser entspricht.
II. Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Recht auf Rausch
Rechtsprechung und gesellschaftliche Entwicklung
- Historische Entscheidungen: Das Bundesverfassungsgericht lehnte 1994 ein „Recht auf Rausch“ ab und setzte sich nicht detailliert mit dieser Vorstellung auseinander, die heute von vielen als Teil der allgemeinen Handlungsfreiheit und des Persönlichkeitsrechts betrachtet wird.
- Position des Amtsgerichts Bernau: Im Gegensatz zum Bundesverfassungsgericht und in Anlehnung an die Entscheidung des Landgerichts Lübeck von 1992 erkennt das Amtsgericht Bernau ein „Recht auf Rausch“ an. Dies wird besonders im Zusammenhang mit der Konsumierung von Cannabis gesehen, das als milde Droge den Kernbereich privater Lebensführung betrifft.
Rechtliche Bewertung des „Rechts auf Rausch“
- Kernbereich privater Lebensführung: Wenn ein Recht auf Rausch als Bestandteil der privaten Lebensführung anerkannt wird, dürfen staatliche Eingriffe in diese Form der Persönlichkeitsentfaltung nicht durch Gesetze erfolgen.
- Bedeutung für das Betäubungsmittelgesetz: Das Betäubungsmittelgesetz, das den Umgang mit Cannabis unter Strafe stellt, könnte als unzulässiger Eingriff in das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit betrachtet werden, falls das Recht auf Rausch anerkannt wird.
- Straffreiheit bestimmter Handlungen: Wenn das Recht auf Rausch anerkannt ist, müssen Handlungen wie das Verschaffen, der Besitz und der Erwerb von Cannabis, die für die Realisierung dieses Rechts notwendig sind, straffrei gestellt werden.
III. Verstoß gegen Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG
Eingriffe in die Freiheit der Person
- Grundrecht der Freiheit der Person: Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG schützt die unverletzliche Freiheit der Person, in die nur unter sehr strengen Voraussetzungen eingegriffen werden darf.
- Möglichkeit von Freiheitsentziehungen: Das vorliegende Strafgesetz ermöglicht es dem Gericht, freiheitsentziehende Maßnahmen wie Vorführungen, Haftbefehle oder Ersatzfreiheitsstrafen anzuordnen, was bereits die Möglichkeit solcher Maßnahmen als Eingriff in die Freiheit der Person darstellt.
Verhältnismäßigkeit der freiheitsentziehenden Maßnahmen
- Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts: Freiheitsentziehende Maßnahmen sind nur zulässig, wenn sie zum Schutz anderer oder der Allgemeinheit erforderlich sind.
- Unverhältnismäßigkeit des strafbewehrten Verbots: Die aktuellen wissenschaftlichen und kriminologischen Erkenntnisse zeigen, dass die Gefahren durch den Cannabisgebrauch minimal sind und das Verbot zur Erreichung der gesetzgeberischen Ziele ungeeignet ist. Daher sind freiheitsentziehende Maßnahmen nicht verhältnismäßig und rechtfertigen keine solchen Eingriffe.
Zusammenfassende Bewertung
- Notwendigkeit einer rechtlichen Neubewertung: Die geringen Gefahren, die von Cannabis ausgehen, und die Ungeeignetheit des Verbots zur Erreichung seiner Ziele, machen eine Neubewertung der entsprechenden strafrechtlichen Regelungen notwendig. Insbesondere sollte das Recht auf persönliche Freiheit und die Verhältnismäßigkeit von strafrechtlichen Sanktionen neu bewertet werden, um den modernen Anforderungen an die Grundrechte gerecht zu werden.
IV. Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG
Grundsatz der Gleichbehandlung
- Rechtliche Grundlagen: Art. 3 Abs. 1 GG verbietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches willkürlich ungleich zu behandeln. Diese Regelung zielt darauf ab, Willkür in der Gesetzgebung zu vermeiden und verlangt, dass Ungleichbehandlungen einen vernünftigen und sachlichen Grund haben müssen.
- Weitreichender Ermessensspielraum des Gesetzgebers: Dem Gesetzgeber wird eine weitgehende Gestaltungsfreiheit zugesprochen. Diese Freiheit endet jedoch dort, wo keine sachlich einleuchtenden Gründe für eine Differenzierung vorliegen.
Ungleichbehandlung von Cannabis und Alkohol
- Historische Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts: Das Bundesverfassungsgericht hat 1994 entschieden, dass die unterschiedliche rechtliche Behandlung von Alkohol und Cannabis aufgrund des damals angenommenen unterschiedlichen Schädlichkeitspotenzials und der kulturellen Verankerung von Alkohol gerechtfertigt sei.
- Veränderung der Erkenntnislage: Neuere wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen, dass die Gefahren des Cannabiskonsums im Vergleich zum Alkoholkonsum als relativ gering einzustufen sind. Studien wie die vom britischen Independent Scientific Committee on Drugs und der Roques-Report belegen, dass Alkohol in Bezug auf den Schädigungsgrad deutlich gefährlicher eingestuft wird als Cannabis.
Argumente gegen die bisherige Regelung
- Fehlende sachliche Gründe für die Ungleichbehandlung: Es gibt keine überzeugenden sachlichen Gründe, die die Ungleichbehandlung von Cannabis und Alkohol rechtfertigen. Beide Substanzen können sowohl zu Genusszwecken als auch zu medizinischen oder religiösen Zwecken verwendet werden. Die Annahme, dass Cannabis hauptsächlich zum Erreichen eines Rauschzustandes verwendet wird, ist überholt und spiegelt nicht die Realität des moderaten oder medizinischen Gebrauchs wider.
- Kulturelle Integration von Cannabis: Die kulturelle Argumentation, die in der Vergangenheit zur Rechtfertigung der unterschiedlichen Behandlung herangezogen wurde, ist heute nicht mehr haltbar. Cannabis ist mittlerweile weit verbreitet und kulturell integriert, ähnlich wie Alkohol in der Vergangenheit.
- Verfassungsrechtlicher Minderheitenschutz: Die derzeitige Gesetzeslage, die Cannabiskonsum strafrechtlich verfolgt, könnte als Verletzung des Minderheitenschutzes betrachtet werden, der durch Art. 3 Abs. 1 GG besonders gewährleistet sein soll.
Schlussfolgerung
- Notwendigkeit einer Neubewertung: Aufgrund der neuen Erkenntnisse und der veränderten gesellschaftlichen Wahrnehmung von Cannabis ist eine Neubewertung der rechtlichen Einordnung im Vergleich zu Alkohol geboten. Die Ungleichbehandlung unter den aktuellen Gegebenheiten erscheint willkürlich und ist daher nicht mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar.